Vorträge / Seminare

Kafkas Lebenswelt. Eine Einführung

Themen u.a.: Österreich-Ungarn, Sprachenvielfalt, Prag im 19. Jahrhundert, Jüdisches Viertel, Kaffeehäuser, Sport und Freizeit, neueste Technologien.

Dauer: ca. 75 Minuten

 

prag

Erörtert wird zunächst die Frage, ob es überhaupt notwendig ist, Lebenswelt und Biografie eines Autors zu kennen, um dessen Werk zu verstehen. Dass dies eine Zeitlang verneint wurde, hat viel zu dem Zerrbild Kafkas als eines weitgehend ›autistischen‹ und an seiner Welt desinteressierten Autors beigetragen. Demgegenüber zeigt der Vortrag an zahlreichen Beispielen, dass durchaus ein Zusammenhang besteht zwischen dem Aufbruch der Moderne, den Kafka erlebte, und seinem literarischen Status als Begründer der deutschsprachigen Moderne in der Literatur.

Kafkas Welt war geprägt von extremen Spannungen, die einerseits von den immer mehr sich zuspitzenden nationalen Gegensätzen rührte, andererseits von dem hohen Tempo, mit dem eine Vielzahl technischer Innovationen durchgesetzt wurde: Elektrifizierung der Städte, Telefonnetze, Kinos, Grammophone, Autos und Flugzeuge.

Das Problem einer schwankenden, wurzellosen Identität, das bei Kafka immer gegenwärtig bleibt, war also durchaus kein privates. Das wird auch gezeigt am Beispiel des immer aggressiver werdenden Antisemitismus: Solche Erfahrungen waren es nicht zuletzt, die Kafka immer wieder in literarischen Szenen der Verfolgung und der Ausschließung bearbeitete.